Schweizer Zunft

Ein Auszug aus der Schrift “Die Schweizerzunft in Waldlaubersheim” von Ernst Marx (1920 – 2012)

Die Schweizer in Waldlaubersheim ?

Ist das Wort Schweizer in unserem Zunftnamen wirklich nicht zu deuten? Das Thema ist reizvoll, denn das Wort Schweizer kommt in vielerlei Bedeutung vor.

Nach dem Sprach-Brockhaus versteht man darunter

1. Bewohner der Schweiz,

2. Kuhpfleger, Melker, Milchwirt. Das gibt keine Erklärung, denn einen landwirtschaftlichen Betrieb, der soviele Schweizer beschäftigte, dass man ein ganzes Ortsviertel nach ihnen benannte, gab es vor vielen Jahrhunderten wohl nicht. Weiter mit Sprach-Brockhaus:

3. Söldner der päpstlichen Leibwache,

4. Schweizertruppe, früher: Soldaten, Schweizer Mietsoldaten im Sold eines Fürsten.

Im Großen Brockhaus heißt es unter Schweizer:

1. Im kirchlichen Sprachgebrauch Bezeichnung für Pförtner, Kirchenaufseher.

2. Im Kriegswesen Soldtruppe, Schweizergarden, Schweizer, die hauptsächlich aus Schweizern gebildeten fremden Soldtruppen, die in den verschiedenen Staaten mit dem Verfall der Ritterheere aufkamen. In Frankreich z.B. bestanden am Ende des 18. Jahrhunderts fast 15000 Mann solcher Schweizergarden im Dienste des Monarchen, deren ruhmvolle Verteidigung der Tuilerien zu Beginn der französischen Revolution bekannt ist. Rund 500 Mann fielen. Gegenwärtig besteht noch die kleine Schweizergarde des Papstes von etwa 100 Mann zu Ordnungszwecken und zur Repräsentation.

Ein historischer Rückblick

Wir sehen, die jungen Männer aus den kargen Verhältnissen der Schweizer Alpen waren von jeher weithin begehrt bei den Mächtigen Europas als Gardesoldaten, Leibwächter usw., im allgemeinen verkürzten Sprachgebrauch als Schweizer. Aber in welcher Funktion und in wessen Diensten sollen solche Schweizer vor vielen Jahrhunderten in Waldlaubersheim in Diensten gestanden haben? Die Deutung dieses Namensteils ist nur durch einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung der staatlichen und kirchlichen Verhältnisse in Mitteleuropa und unserer engeren Heimat möglich.

Nach der Eroberung Galliens und Unterwerfung der Kelten durch den römischen Feldherrn Cäsar (58 – 51 v. Chr.) eroberten Drusus und Tiberius Teile Germaniens, auch unser Land an Rhein und Nahe. Gegenüber den Naturreligionen der Römer hatte der aufkommende christliche Glaube zunächst einen sehr schweren Stand. Der Apostel Petrus soll 64 n. Chr. in der von dem grausamen Kaiser Nero erbauten Tierkampfarena in Rom den Märtyrertod erlitten haben. Er war der erste christliche Bischof in Rom. Bei aller Verfolgung breitete sich das Christentum zunächst im Mittelmeerraum aus. Trotz strenger Zucht und Strafen traten aber römische Besatzungssoldaten und Menschen verschiedenster Völkerstämme zum Christentum über. Der Kaiser des Weströmerreiches Constantin (305 – 337 n. Chr.) residierte lange in Trier. Seine christliche Mutter Helena ließ ein Gewand als von Christus stammend, den sogenannten Heiligen Rock, nach Trier bringen. Später wurde er selbst Christ. Kaiser Theodosius erklärte 391 n. Chr. das Christentum zur Staatsreligion und verbot heidnische Kulte. Der Untergang des mächtigen Römerreiches setzte vermehrt nach der Aufgabe des rechtsrheinischen Limes ein und vollendete sich in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts.

Daß es schon in der ausgehenden Römerzeit und bald danach auch in unserer Heimat einheimische Christen gab, beweisen zwei in Bingen gefundene Grabsteine mit eindeutig christlichen Symbolen. Es sind das der Grabstein des Priesters Aetherius (um 400 n.Chr.), zu sehen in der Basilika in Bingen und der Bertichildisstein (um 600 n. Chr.) in der Pfarrkirche in Bingen-Kempten. Man kann danach von einer kleinen christlichen Gemeinde mit Pfarrer in Bingen und von einer ersten kleinen Kirche ausgehen.

Die Kirchenschweizer

Dass das Wort Schweizer in unserem Zunftnamen benutzt wird muss doch einen geschichtlichen Hintergrund haben und zwar den, dass unsere Grundherrn als Ortswehr, nicht zuletzt zur Repräsentation, eine kleine geharnichte und mit Schwertern, Helebarden und Armbrüsten, später mit Büchsen bewaffnete Schweizergarde zu Waldlaubersheim unterhielten. Selbst wenn diese Gardisten nicht aus der Schweiz stammten wie bei großen Landesherrn (siehe vorn), der Name Schweizer hatte sich seit Jahrhunderten eingebürgert. Noch heute treten in katholischen Domen und Basiliken, z.B. Mainz und Bingen, bei besonderen Anlässen einheimische Kirchenbedienstete, sogenannte Kirchenschweizer, in Wahrung einer alten Tradition auf.

Es bleibt noch die entscheidende Frage, wo in Waldlaubersheim die Männer der Schweizergarde mit ihren Familien gewohnt haben könnten. Die Antwort ist logisch: Zur schnellen Einsatzbereitschaft ganz nahe bei der Wehrkirche in der Binger Straße links des Welschbaches, jetzt Hahnenbach genannt; und das ist doch der Kern unserer alten Schweizerzunft! Ich bin mir im klaren darüber, dass mein Hinweis auf eine mögliche Tätigkeit von Kirchenschweizern für Ordnung und Schutz, vor allem für unsere Wehrkirche, eine Hypothese ist, das heißt nach dem Sprachbrockhaus ein „möglicherweise gültiger, aber noch nicht erwiesener Satz“ oder Gedanke. (Dies betrifft nicht die geschichtlichen Darlegungen) Hypothesen können Anregungen sein, durch weitere Forschungen und Erkundungen Beweise ihrer Richtigkeit zu liefern. Es ist sicherlich sehr schwierig, die fragliche Hypothese durch dingliche oder schriftliche Urkunden zu beweisen.

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